Die Notwendigkeit von technischer Dokumentation ist gesetzlich verankert. Mehrere Gesetze verlangen mehr oder weniger konkret, dass Hersteller zu ihren Produkten Informationen beilegen, die die Nutzer dazu befähigen, ein Produkt gefahrlos zu verwenden:
- das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG)
- das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)
- das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)
Nachfolgend erhalten Sie einen Überblick über diese gesetzlichen bzw. rechtlichen Grundlagen der technischen Dokumentation in Deutschland.
Produktsicherheitsgesetz
Das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) enthält mehrere konkrete Forderungen nach technischer Dokumentation:
§ 3 Absatz 2 ProdSG
„Ein Produkt darf […] nur auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn es bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet. Bei der Beurteilung […] sind insbesondere zu berücksichtigen:
- die Eigenschaften des Produkts einschließlich […] Anleitungen für seinen Zusammenbau, die Installation, die Wartung und die Gebrauchsdauer, […]
- die Aufmachung des Produkts, […] die Warnhinweise, die Gebrauchs- und Bedienungsanleitung, die Angaben zu seiner Beseitigung sowie alle sonstigen produktbezogenen Angaben oder Informationen […]“
(Gesetze-im-internet.de 2015; eigene Hervorhebungen)
§ 6 Absatz 1 ProdSG
„Der Hersteller [hat] bei der Bereitstellung eines Verbraucherprodukts auf dem Markt
- sicherzustellen, dass der Verwender die Informationen erhält, die er benötigt, um die Risiken, die mit dem Verbraucherprodukt während der […] Gebrauchsdauer verbunden sind und die ohne entsprechende Hinweise nicht unmittelbar erkennbar sind, beurteilen und sich gegen sie schützen zu können […]“
(Gesetze-im-internet.de 2015; eigene Hervorhebungen)
§ 3 Absatz 2 aus 9. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz
Das Produktsicherheitsgesetz wird durch einige Verordnungen erweitert. Mittels einer solchen Verordnung wurde unter anderem die EGMaschinenrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt: Die 9. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz – kurz „9. ProdSV“ – entspricht nahezu wörtlich der EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Auch dort findet sich die Forderung nach technischer Dokumentation:
„Der Hersteller […] muss vor dem Inverkehrbringen […] einer Maschine […]
- insbesondere die erforderlichen Informationen, wie die Betriebsanleitung, zur Verfügung stellen […]“
(Gesetze-im-internet.de 2015; eigene Hervorhebungen)
§ 3 Absatz 1 aus 9. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz
Die 9. ProdSV enthält eine weitere, indirekte Forderung nach technischer Dokumentation:
„Der Hersteller […] darf Maschinen nur in den Verkehr bringen […], wenn sie bei ordnungsgemäßer Installation und Wartung und bei bestimmungsgemäßer Verwendung oder vorhersehbarer Fehlanwendung die Sicherheit und die Gesundheit von Personen […] nicht gefährden.“ (Gesetze-im-internet.de 2015)
Wie eine Maschine ordnungsgemäß installiert und gewartet wird und wie sie verwendet werden soll, sind wichtige Inhalte der technischen Dokumentation für Maschinen.
Produkthaftungsgesetz
Das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) regelt unter anderem die verschuldensunabhängige Haftung. Außerdem findet sich in diesem Gesetz indirekt die Festlegung, dass die technische Dokumentation Teil des Produktes ist:
§ 1 Absatz 1 ProdHaftG
„Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“ (Gesetze-im-internet.de 2015; eigene Hervorhebungen)
Nach diesem Paragraph sind Vorsatz und Fahrlässigkeit keine Voraussetzungen dafür, als Hersteller mit Haftungsansprüchen konfrontiert zu werden, falls durch ein Produkt jemand verletzt wird. Es handelt sich um eine verschuldensunabhängige Haftung. Schließlich muss auch bei einem unabsichtlichen Produktfehler der Geschädigte Anspruch auf eine Entschädigung haben. Doch wann hat ein Produkt einen Fehler? Und welche Rolle spielt hierbei die technische Dokumentation? Dazu Paragraph 3 dieses Gesetzes:
§ 3 Absatz 1 ProdHaftG
„Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere
- seiner Darbietung,
- des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann,
- des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde,
berechtigterweise erwartet werden kann.“ (Gesetze-im-internet.de 2015)
Die technische Dokumentation ist genau dazu da, alle sicherheits- und zielgruppenrelevanten Informationen bereitzustellen. Wofür ein Produkt gebraucht werden darf und wofür nicht, sind wichtige Inhalte einer Gebrauchsanleitung. Die technische Dokumentation gehört außerdem zur „Darbietung“ des Produktes. Also: Ist die technische Dokumentation fehlerhaft, gilt das ganze Produkt als fehlerhaft.
Bürgerliches Gesetzbuch
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) § 823 Absatz 1 ist die verschuldensabhängige Haftung geregelt:
„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ (Gesetze-im-internet.de 2015)
Dieser Paragraph enthält zwar keine konkrete Forderung nach technischer Dokumentation. Doch die technische Dokumentation ist per Gesetz ein Teil des zugehörigen Produktes, siehe Abschnitt „Produkthaftungsgesetz“ oben auf dieser Seite. Sie soll die Nutzer dazu befähigen, das Produkt gefahrlos zu verwenden. Ein Hersteller, der seinen Kunden oder Nutzern keine oder nur eine mangelhafte technische Dokumentation bereitstellt, handelt somit vorsätzlich oder zumindest fahrlässig. Im Schadensfall muss er haften.
Fallbeispiel „Milupa“
Abschließend ein Fallbeispiel, das zeigt, dass die Verurteilung eines Unternehmens – in diesem Fall wegen mangelhafter Warnhinweise – nicht nur eine theoretische Gefahr ist:
„Die Firma Milupa hatte Anfang der 1980er Jahre ein zuckerhaltiges [Getränk] für Kleinkinder sowie Babyflaschen vertrieben. […] 1981 beschrieb [ein Professor], dass dauerndes Nuckeln […] zum Nursing-Bottle-Syndrom, einer Form der Karies an den Milchzähnen, führen kann. Daraufhin fügte die Firma entsprechende Warnhinweise bei, die sich bis Ende 1982 ohne besondere Hervorhebung in der Zubereitungsanleitung befanden. […] Das Nursing-Bottle-Syndrom war bereits 1971 in ausländischen Publikationen beschrieben worden.
[Dem] 1979 geborenen Kläger [wurden] bis 1983 täglich […] die Flaschen […] zum Einschlafen gegeben […], so dass er langandauernd unbeaufsichtigt genuckelt hatte. 1985 wurde bei ihm Milchzahnkaries festgestellt und mehrere Schneidezähne mussten gezogen werden. Er verlangte vom Hersteller Schadenersatz.
Der Bundesgerichtshof […] sprach dem Kläger Schadenersatz gemäß § 823 […] BGB zu, da der Hersteller seiner Instruktionspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei.
Das Gericht vertrat die Auffassung, dass der Hersteller bereits 1979 die Gefahr von Milchzahnkaries hätte kennen müssen. Zudem seien die angebrachten Warnhinweise nicht ausreichend gewesen. Selbst nach 1982, als die Hinweise hervorgehoben wurden, sei nicht davon auszugehen gewesen, dass Kunden […] diese Hinweise lesen würden, da die Warnung nicht deutlich genug sei. Diese Verletzung der Instruktionspflicht sei schuldhaft gewesen […]. Die Richter merkten in der Urteilsbegründung auch an, dass es zwar kein bestimmungsgemäßer Gebrauch sei, das Kind dauernd unbeaufsichtigt nuckeln zu lassen, jedoch ein naheliegender Fehlgebrauch […].“
(Wikipedia 2013)
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